Camera Obscura
IG Halle in der Alten Fabrik Rapperswil
25. Februar – 3. April 2005
Das Ungreifbare im Bild einfangen.
Camera obscura und Bilder mit der Lochkamera von Elisabetha Günthardt bei der IG Halle.
Die Camera obscura fasziniert noch heute. Das Phänomen der Projektion der Aussenwelt via Lichtstrahl ins Innere einer dunklen Kammer kann in der Ausstellung interaktiv erlebt werden. Elisabetha Günthardt zeigt Landschaften und Stadtszenerien aus der Region, festgehalten mit der Lochkamera, untermalt durch ihre persönliche Sehweise.
Seit der Antike ist das Phänomen der Camera obscura (lateinisch: dunkle Kammer) bekannt: Fällt ein Lichtstrahl durch eine winzige Öffnung in einen stockdunklen Innenraum, spiegelt er auf der Rückwand der Kammer das Bild von aussen – und zwar kopfüber und seitenverkehrt. Diese physikalische Erscheinung hat durch die Jahrhunderte zahlreiche Erkenntnisse und Erfindungen ausgelöst: Sie hat angeregt zum Nachdenken über Spiegelbild, Schein und Wirklichkeit, sie hat Astronomen die Beobachtung von Sonnenfinsternissen ermöglicht und eine Grundlage zur Optik gelegt.
Kurator: Peter Röllin
Von der Camera obscura zur Lochkamera-Fotografie
Seit der Renaissance suchten Forscher nach Wegen, um das flüchtige projizierte Bild festzuhalten und erfanden Zeichenapparaturen. Die begehbare Camera obscura mit einer Zeichenvorrichtung steht am Anfang der naturgetreuen Wiedergabe von Landschaften und vieler Veduten von Künstlern. Der Begriff „Kamera“ für den Foto-Apparat verdeutlicht, wo die Fotografie eine ihrer Wurzeln hat. Auch die Erkenntnis, dass Lichtstrahlen auf bestimmten Stoffen Farbveränderungen hervorrufen, ist Jahrtausende alt. Genutzt zum „Photographieren“ („Lichtschreiben“) wurde sie erst im 19. Jahrhundert. Zum Durchbruch der Fotografie brauchte es aber noch mehr Chemie: die Erfindung des Fixiersalzes. Seither kann der Veränderungsprozess auf dem Film gestoppt und die fertige Momentaufnahme zur fotografierten Wirklichkeit erklärt werden.
In den letzten Jahrzehnten hat die Fotografie mit der Digitalisierung ungeahnte Raffinessen entwickelt und extrem an Tempo zugelegt. Zum schnellen Bild hält die Lochkamera eine anachronistische Gegenposition. Mit ihr schiesst man keine Bilder, man fängt sie ein – langsam, mit Belichtungszeiten von Minuten, manchmal Stunden. Die Lochkamera kommt ohne optische Hilfsmittel wie Linsen aus und verzichtet auf Präzisierungs- und Kontrollfunktionen.
Bilder „erfühlen“
Gerade das nicht restlos Kontrollierbare fasziniert Elisabetha Günthardt. Die Fotografin aus Uznach hat nach der Ausbildung an der GAF (Gruppe autodidaktischer Fotografinnen und Fotografen) in Zürich vor acht Jahren die Lochkamera als ihr Medium entdeckt. Eine Büchse mit einem winzigen Loch und einem
Fotopapier im Inneren genügt, um ihre Welt aufs Bild zu bannen: das Schilf im Riedland, den Baggersee, den Blick vom Kirchturm, den stillen Winkel in der Altstadt, Zäune, Brücken, Bäume, Gärten. Die „Büchsenfrau“, wie der Publizist Ludwig Hasler sie nennt, gestaltet ihr Bild im Kopf, „erfühlt“ es und muss beim Setzen der Büchse mit der Hand entscheiden; denn es gibt keinen prüfenden Blick durch den Sucher der Kamera. Nur die Erfahrung zählt – für die Distanz zum Objekt, für den Aufnahmewinkel oder die Belichtungszeit.
In der langen Belichtungszeit sammeln sich Wesenszüge und Stimmungen, die Objekte ausstrahlen. Sie sind uns sonst unzugänglich, weil wir Zeit nicht als Summe, sondern als Ablauf erleben. Die Aura des Gegenstandes, das Ungreifbare, wirkt umso stärker, weil keine kurzen, hektischen Bewegungen sich im Bild niederschlagen. Der Brunnen wird zur Skulptur, der belebte Seequai zur Oase der Stille.
Verfremdungen
Die Welt der Büchsenbilder ist unten gerundet und aus der Froschperspektive erfasst. Ein weiter Horizont und ein tiefer Hintergrund fehlen. Elisabetha Günthardt setzt diese Tatsachen als Ausdrucksmittel ein. Kiesbeläge, Pflästerungen, die Latten eines Holzstegs gewinnen ein dominantes Eigenleben, entferntere Gegenstände erscheinen isoliert, nähere bizarr oder bedrohlich überhöht. Die Magie des langen Schattens macht eine Frauengestalt gar zur einzigen Bewohnerin des Planeten. Mit gezielten Inszenierungen bringt die experimentierfreudige Fotografin bisweilen sich selbst ins Bild. Fotografierte Welt wirkt dann wie von Geisterhand berührt.
Elisabetha Günthardt spürt den Erscheinungsformen der Dinge nach. Mit digitaler Nachbearbeitung verfremdet sie die Bilder aus der Lochkamera und unterlegt ihnen eine Farbstimmung, wie sie sie bei der Aufnahme empfunden hat: schrill und kontrastreich, einladend, abweisend oder sanft und traumverloren. Im Spannungsfeld von unscharfer Fotografie und synthetisch wirkender Farbe entstehen Bilder, die ihr Geheimnis nicht preisgeben.
Text: Barbara Handke / IG Halle
Vernissagerede: Dr. Ludwig Hasler (pdf)
Fotografien: Hans-Ulrich Blöchliger
Medienspiegel
Einmalige Kunst aus der Büchse
Das Ungreifbare einfach im Bild einfangen
Obersee Nachrichten, 24.02.2005
Camera Obscura in Alter Fabrik
Die Bilder der Büchsenfrau
Büchsenfrau und Wortgewalt
Neue Zürcher Zeitung, 09.03.2005
Solo für präparierte Büchse
Bote der Urschweiz Schwyz, 09.03.2005
Eine Geometrie mit Echocharakter
Schweizer Illustrierte, 14.03.2005
Mit der Kaffeebüchse auf Bildjagd – Elisabetha Günthardt
Computer tifft Urfotografie – Die Büchsenfrau
Zürcher Oberländer (Datum unbekannt)
Büchsenbilderschau mit der Camera Obscura
Südostschweiz (Datum unbekannt)
Das Ungreifbare im Bild einfangen
Anlässe in der Ausstellung ELISABETHA GÜNTHARDT – CAMERA OBSUCRA
Vernissage
Freitag, 25. Februar, 19.00 Uhr
Einführung: Dr. Ludwig Hasler, Philosoph & Physiker, Publizist
Vernissagerede: Ludwig Hasler (pdf)
Publikation
Anlässlich der Ausstellung Elisabetha Günthardt – Camera Obscura, erscheint die Publikation Die Büchsenfrau.
Vorwort von Dr. Bruno Glaus. Mit Texten von Yvonne Götte, Peter Dzikowski und Dr. Ludwig Hasler.
artefix kultur und schule
Die Ausstellung wird kunstpädagogisch von artefix kultur und schule begleitet.
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