Der bewegte Mensch
IG Halle in der Alten Fabrik Rapperswil
18. August – 22. Oktober 2006
Der bewegte Mensch
Konflikte – Gerechtigkeit – Hoffnung
Fotografien von Werner Bischof bei der IG Halle in Rapperswil
Werner Bischof (1916–1954) gehörte nach dem Zweiten Weltkrieg zu den herausragenden Reportage-Fotografen der legendären Agentur Magnum. Seine Bilder vom kriegsversehrten Europa und von Konflikten im Fernen Osten fokussieren aus respektvoller Nähe auf die betroffenen Menschen und ihre Gefühle. Sie lassen Leid, aber auch Hoffnung sprechen.
„Es trieb mich hinaus, das wahre Gesicht der Welt kennen zu lernen. Unser gutes, gesättigtes Leben nahm vielen den Blick für die ungeheure Not ausserhalb unserer Grenzen.“ Diese Motivation drängte Werner Bischof, seine gesicherte Existenz als Studio- und Werbefotograf in Zürich 1945 mit dem belastenden und ruhelosen Einsatz als Bild-Reporter zu vertauschen. Bis zu seinem Unfalltod als 38-jähriger in den Anden reiste er oft an die Brennpunkte der Weltgeschichte und berichtete mit der Kamera von den verheerenden Folgen von Kriegen und Naturkatastrophen für die Menschen. Diese humanitäre Sehweise eines Bewegten steht im Zentrum der Ausstellung in der Alten Fabrik in Rapperswil.
Die Ausstellung wurde von Annett Baumast und Patrick Sutter gestaltet. Sie ist in Zusammenarbeit mit Marco Bischof, der den umfangreichen Nachlass seines Vaters verwaltet, und der IG Halle entstanden (Leitung Peter Röllin).
Namenloses Leid
Unmittelbar nach Kriegsende reiste Werner Bischof, der selber als Schweizer Soldat rund 800 Tage Aktivdienst geleistet hatte, durch das verwüstete Deutschland, nach Holland und Frankreich. Er fand zertrümmerte Städte, Flüchtlingsschicksale, namenloses Leid, gespiegelt in den Gesichtern der Menschen. Bereits 1946 publizierte die Kulturzeitschrift Du erste Bilder und später eine Sonderausgabe mit Bildmaterial, das Bischof von seinen Reisen im Auftrag der Schweizer Spende aus Österreich, Italien, aus dem Balkan und Nordosteuropa nach Hause brachte. Die berührenden Dokumente machten ihn hierzulande schnell bekannt. Sie ermöglichten ihm auch die Aufnahme in die 1946 in Paris gegründete Agentur Magnum, die im Zeitalter des aufkommenden Bildjournalismus die Elite der Reportage-Fotografen vereinigte und in alle Welt schickte.
Bischof weilte insgesamt über zwei Jahre im Fernen Osten. Hier verschaffte er sich vertiefte Einblicke in fremde Kulturen, war aber ständig mit Umbruch und Konflikten konfrontiert: in Indien, in Japan, das sein Hiroshima erlebt hatte, in Indochina, wo die Entkolonialisierung zu Konflikten führte, und in Korea, wo die Auseinandersetzung zwischen Ost und West einen folgenreichen Krieg heraufbeschwor. Im Magazin Life erschienen seine erschütternden Bilder über die Hungerkatastrophe in der indischen Provinz Bihar. Auch als Kriegsreporter an der Front oder in Gefangenenlagern hielt er – anders als viele Journalisten-Kollegen – nicht möglichst schockierende Szenen oder heroische Aktionen fest, bei denen Menschen instrumentalisiert werden, sondern versuchte intuitiv, die Menschen wahrzunehmen mit ihren offenkundigen und verhaltenen Gefühlen. Wo bleibt die Gerechtigkeit? scheinen Bildzeugnisse zu fragen, wie das des kleinen Kinderhäftlings beim Empfang seiner kargen Essensration.
Hoffnung als Botschaft
Viel fachliches Rüstzeug hatte Bischof als Schüler des wegweisenden Sachfotografen Hans Finsler in der ersten Fotoklasse der damaligen Zürcher Kunstgewerbeschule erworben und später in eigenen Studioarbeiten perfektioniert und verinnerlicht: ein neues Sehen der Dinge, die Bildkomposition und den Umgang mit Licht und Schatten. Bei seinen Reportagen halfen ihm dieser Hintergrund und der analytische Blick, um eine fotografische Situation blitzschnell zu erfassen. Ausserdem zeichnete Bischof viel und komponierte so im wörtlichen Sinn Bilder.
Das Interesse an den Menschen, an ihrer ureigenen Kultur und ihren Lebensbedingungen zieht sich wie ein roter Faden durch Bischofs Werk. Zahlreiche Motive tauchen in Reportagen aus verschiedensten Ländern in Europa, Asien und den beiden Amerika auf. Das porträtierte Gesicht des Elends gehört elementar dazu, aber es sind immer wieder auch spielende Kinder in einer armseligen, versehrten Umgebung, Menschen, die beim Tanzen ihre Not vergessen oder einen unbeschwerten Augenblick lachend geniessen. Sie verkörpern Hoffnung und einen allerersten Schritt in eine bessere Zukunft. Die Symbolkraft dieser Bilder vermittelt eine Botschaft, die Bischof besonders wichtig war.
Bischofs Fähigkeit, die Gefühle der Menschen abzubilden, hebt seine Fotografien weit über Zeitdokumente aus den 1940-er und 50-er Jahren hinaus. Auch in unserer Zeit mit ihrer Flut von hektisch bewegten Bildern, erreichen sie ihr Ziel: Sie bewegen.
Text: Barbara Handke / IG Halle
Medienspiegel
Bilder zeigen Leid und Hoffnung
Neue Zürcher Zeitung, 23.08.2008
Bewegende Bilder im Antlitz des Krieges
Anlässe in der Ausstellung WERNER BISCHOF
Vernissage
Freitag, 18. August, 19.00 Uhr
Einführung: Guido Magnaguagno, Direktor Tinguely-Museum Basel
Gespräch
Sonntag, 24. September, 11.00 Uhr
Hugo Loetscher, Schriftsteller, im Gespräch mit Marco Bischof und Patrick Sutter
Führungen
Mittwoch, 23.8., 30.8., 6.9., 27.9., 4.10. jeweils 18.15 Uhr
Mit Karin Dummermuth, Kunstvermittlerin IG Halle
Matinee und Führung
Sonntag, 8. Oktober, 11.00 Uhr
Mit Marco Bischof
Führungen mit den Kuratoren
Mittwoch, 13.9., 20.9., 11.10., 18.10. jeweils 18.15 Uhr
Mit Annett Baumast und Patrick Sutter, Kuratoren der Ausstellung
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