Double Visions II / Schein und Sein
IG Halle in der Alten Fabrik Rapperswil
17. November – 23. Dezember 2006
Gespiegelte Zeit – Schein und Sein
Gregor Frehner und Katharina Henking bei der IG Halle in Rapperswil
Das Winterthurer Künstlerpaar, die Zeichnerin Katharina Henking und der Bildhauer Gregor Frehner, bespielen gemeinsam die Halle der Alten Fabrik. In Installationen aus Papier und Betonguss, in Zeichnungen und Collagen begegnen sich Leichtigkeit und Schwere. Gespiegelt wird die Auseinandersetzung mit Grundfragen des Lebens und mit aktueller Zeitgeschichte.
Kurator: Peter Röllin
Wie ein riesiges Windspiel hängt es von der Decke, seine blassroten Stränge berühren wie Äste einer Trauerweide fast den Boden. Das kreisrunde Objekt dominiert mit seinem Volumen den Raum und ist als Körper dennoch nicht wirklich fassbar. Geheimnisvolles Wispern dringt aus dem Innern, weckt Neugier. „Whispering“ ist eigentlich eine begehbare Installation. Doch die dicht hängenden Stränge aus bumerangartigen Papierelementen machen unschlüssig. Katharina Henking inszeniert Ambivalenz. Sie erzeugt den Eindruck von unberechenbarer Fülle, hat aber ihr Material präzise im Griff. Zwanzig gleiche Elemente aus Fleischerpapier sind es pro Strang, rund 5600 einzelne Volumen im Ganzen – sperrig, beweglich und leicht in einem.
Beton mit Sprengkraft
Die zahlreichen runden Körper, die Gregor Frehner in der Halle platziert hat, besetzen betonschwer den Boden oder sind auf Holzgestellen zu mehrteiligen Raumplastiken arrangiert. Bei näherem Hinsehen entpuppen sich die dunkelgrau eingefärbten Objekte als Abgüsse von Panzerminen. Seit dem Frühsommer hat Frehner jeden Tag je ein Exemplar seiner drei verschiedenen Minentypen produziert, genug, um den Raum zum Arsenal werden zu lassen. Vor kurzem ist ein viertes Element dazugekommen. Die Ästhetik der Form fasziniert ihn in erster Linie, ein Interesse, das sich wie ein roter Faden durch sein Werk zieht und die früheren ungegenständlichen Skulpturen in Stein geradezu charakterisiert. Eine Zeitlang verstand der 47-jährige Bildhauer seine Arbeiten als „Denk-Mäler“, seit rund fünf Jahren lädt er sie mit Sprengkraft auf. Bereits die Bomben und Panzer aus Gussbeton, noch viel stärker aber die Minen verkörpern den Widerspruch zwischen schöner Form und heimtückischer, zerstörerischer Wirkung. Frehner macht die latente Gefahr bewusst, die von Kriegs- und Terrorwaffen jederzeit und überall ausgeht. Zugleich sind seine Minen aus Beton Attrappen – Attrappen mit der Sprengkraft des Absurden. Im verminten Gelände entwickelt sich ein hintergründiges Spiel von Schein und Sein.
Einen Einstieg in die Ausstellung, die als „Double Visions II“ an die erste gemeinsame Rauminstallation des Künstlerpaars 2004 in der Galerie Oxyd in Winterthur anknüpft, liefern wandgrosse Collagen mit dem Titel „Zeitgeschichte“. Sie zeigen auch das Universum, in dem sich Katharina Henking bewegt. Zeitungsausschnitte, Reminiszenzen an prägende Ereignisse wie 9/11 oder der Brand im Gotthard stehen neben eigenen künstlerischen „Probierstücken“, neben Skizzen, Scherenschnitten, Ornamenten, Papierfetzen, Tapetenresten. Es sind wie an die Atelierwand gepinnte Notizen, wichtig genug, um aufbewahrt zu werden, und doch haftet ihnen der Charakter des Provisorischen an.
Fragmente der widersprüchlichen Zeit
Katharina Henking befasst sich gerne mit „Kunst auf Zeit“: Oft nimmt sie mit Ornamenten, die sich aus ständig wiederholten figürlichen Papierschnitten zusammensetzen, für die Dauer einer Ausstellung von ganzen Räumen Besitz. Auch im seriellen Schaffen der Zeichnerin schlägt sich das Vorläufige nieder. Die 56-teilige Serie „Easy Living“ schöpft aus dem Fundus der Alltagswelt. Die braunen Pinselzeichnungen auf feinstem Seidenpapier lassen sich einzeln oder, je nach Anordnung, in assoziativem Zusammenhang lesen. Hat Katharina Henking früher die Dingwelt verinnerlicht und in einer piktogrammartigen Zeichensprache wiedergegeben, ist jetzt auch die menschliche Figur wieder Thema: Menschen als winzige Fragmente ihrer widersprüchlichen Zeit.
IG Halle zum letzten Mal in der Alten Fabrik
Mit der Ausstellung „Double Visions II / Schein und Sein“ geht die Aera der IG Halle und der Gruppe artefix kultur und schule im Kulturzentrum Alte Fabrik Rapperswil zu Ende. Ein Abschiedsfest am 8. Dezember setzt einen Schlusspunkt unter eine fast 15-jährige Ausstellungstätigkeit an diesem Ort. IG Halle und Artefix werden aber weiterhin gemeinsam die kulturelle Landschaft der Region bereichern – im nächsten Jahr mit Projekten an verschiedenen Standorten, ab 2008 hoffentlich wieder in kontinuierlich zur Verfügung stehenden Lokalitäten in Rapperswil-Jona.
Text: Barbara Handke / IG Halle
Anlässe in der Ausstellung DOUBLE VISIONS II / SCHEIN UND SEIN
Vernissage
Freitag, 17. November, 19.00 Uhr
Einführung: Peter Killer, Kunsthistoriker
Matinee
Sonntag, 10. Dezember, 11.00 Uhr
Lesung Ivo Ledergerber, Lyriker, St.Gallen
Gespräch mit den Kunstschaffenden
Das Künstlerpaar ist an den Sonntagen 27.11., 10.12. und 17.12. in der Ausstellung anwesend.
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