hin und her
IG Halle in der Alten Fabrik Rapperswil
7. Januar – 6. Februar 2005
Spielerisch ernsthafte Hin- und Hergeschichten
Bilder von Christine Bänninger und Tatiana Witte bei der IG-Halle in Rapperswil
Lust am Austausch steht hinter den gemeinsamen Projekten von Christine Bänninger und Tatiana Witte. „100 airways to kiss you“ ist ein tagebuchartiger Bilderwechsel in 200 Collagen zwischen Tunis und Kassel. Mit „Fahrt ins Blaue“ halten die beiden auf hundert expressiven Bildern Zwiesprache. Eigenständige Werke der Künstlerinnen ergänzen die Ausstellung.
Im Zug auf dem Weg zur Kunstschule Luzern haben sie sich vor zwölf Jahren kennengelernt. Seither sind die 1959 geborene Christine Bänninger und die neun Jahre jüngere Tatiana Witte auf weiten Strecken gemeinsam unterwegs. Als euphorische Welteroberinnen stellen sie zunächst verschiedenste Performance-Projekte auf die Beine und setzen sie mit Leidenschaft um. Neben der konzentrierten Präsenz auf flüchtige Augenblicke suchen beide Künstlerinnen aber auch das Schaffen über den Moment hinaus. Im gemeinsamen Atelier in Männedorf entstehen Arbeiten als explizite und als unausgesprochene Dialoge. Dort klärt jede Künstlerin ausserdem bewusst ihre Position und verwirklicht sie in unabhängigen Arbeiten.
Kurator: Peter Röllin
Auslandaufenthalte im Winter 2001/02 bringen eine neue Dimension in die Kommunikation der beiden: Zwischen Tunis, wo Tatiana Witte im Nord-Süd-Kulturaustausch der GSMBA Schweiz / Pro Helvetia ein Atelier bezieht, und Kassel, wo Christine Bänninger ein Gastsemester an der Kunsthochschule belegt, ritualisieren die Partnerinnen den Austausch in „100 airways to kiss you“.
Ein Deux-pièces in 100 Tagen
Die Spielregeln sind einfach. An hundert Tagen ohne Unterbruch schicken sich die Künstlerinnen per Luftpost gegenseitig eine Collage zu. Sujets der Karten im A-5-Format sind die beiden Akteurinnen selbst: fotokopierte Fotografien, Nacktporträts, die eingekleidet, in einen Raum oder in eine Geschichte eingebettet, die umgedeutet, verwandelt, verzaubert werden. Mal fragt das Bild „Wie geht es dir?“, mal erzählt es übermütig oder melancholisch vom eigenen Erleben. Mal fantasiert es die Partnerin in orientalisch fremde Welten, mal reagiert es heftig auf ein einschneidendes Ereignis wie den 11. September. Spontane Bildgedanken und Erfahrungen verdichten sich zu einer poetischen Luftbrücke. Nach Abschluss der Aktion, wenn die je hundert „Blätter“ nebeneinander liegen, fällt auf, wie viele verwandte Motive die beiden Künstlerinnen gleichentags ganz unabhängig voneinander in ihre Bilder hineingetragen haben.
Malerische Reise ins Ungewisse
Das zweite Kommunikationsprojekt, die „Fahrt ins Blaue“, beginnt nicht bei einer Person, sondern mit einer weissen Tafel. Auf eine 24 × 24 cm grosse Fläche „schreibt“ Tatiana Witte eine Bildbotschaft, die Christine Bänninger mit einem Bild beantwortet. Und so geht das Hin und Her weiter, je fünfzig Mitteilungen lang. Es ist eine malerische Reise ins Ungewisse mit unbekanntem Ziel. Bilder, Motive der Partnerin lösen vielfältige Impulse aus. Sie schubsen Geschichten an wie Tatiana Wittes Prinzessin auf
der Schaukel. Sie evozieren innere Bilder, spiegeln Landschaften, können aber auch Haken und Purzelbäume schlagen und neue Fährten legen. Im Austausch akzentuiert sich, was jede Künstlerin an Eigenem in die Zwiesprache einbringt: Christine Bänninger die Lust an der Bewegung, an der Spontaneität des Augenblicks, Tatiana Witte ihre Vorliebe für Strukturen und Muster.
Lebensfülle
Sind es Apfelblüten, Zweige eines exotischen Baums? Die organischen Formen, die Christine Bänningers Acrylbilder in luftiger Fülle auf guten drei Quadratmetern Leinwand ausbreiten, leben von der Irritation. Die impulsive Handschrift, der Fluss der leuchtenden Farben wird gebremst durch den Hintergrund, der sich zwischen die „Zeichnung“ schiebt. Mit bis zu zehn Farbschichten arbeitet sich die Künstlerin in ihren Bildern vorwärts. Dabei holt sie – umgekehrt als üblicherweise in der Malerei – mit neuen, begrenzenden Farbflächen aus noch undefinierten Farbräumen das heraus, was sie zeigen will. Es entstehen Bilder im Schwebezustand.
Eine andere Lebensfülle zeigt Tatiana Wittes textile Bodenarbeit „am anfang“. Aus getragenen Kleidern und Wäsche aus dem Brockenhaus hat die Künstlerin Stoffkugeln geformt und sie den Konturen nach mit rotem Faden vernäht. Jedes Objekt enthält so Spuren der privaten Geschichte eines Menschen. Auf dem Boden ausgelegt, bilden die rund 200 Elemente ein farbig gemustertes Stück gelebte und neu organisierte Wirklichkeit.
Medienspiegel
Poetische Luftbrücke
Bilder als Hin-und-her-Geschichten
Südostschweiz, 07.01.2005
Flieg Gedanke – über die grosse Bilderflut
Kunst, die per Luftpost entstand
Zürcher Oberländer, 10.01.2005
Gemalte Geschichten der Kommunikation
Regional – national – international
Sonntags-Matinée
Schweizer Illustrierte, 02 / 2005
Bunte Küsse aus der Ferne
Anlässe in der Ausstellung CHRISTINE BÄNNINGER & TATIANA WITTE
Vernissage
Freitag, 7. Januar, 19.00 Uhr
Einführung: Cordelia Fankhauser,
Kulturredaktorin SR DRS 2
Matinee
Sonntag, 23. Januar, 11.00 Uhr
Karin Dummermuth im Gespräch mit den Künstlerinnen
Interaktive Veranstaltung
Samstag, 15. Januar, 17.00 Uhr
Sonntag, 16. Januar, 11.00 Uhr
Im Rahmen der aktuellen Ausstellung bietet die Kunstvermittlerin Karin Dummermuth zwei interaktive Veranstaltungen für Erwachsene an. Mit Lust und Neugier werden dabei die Werke der beiden Künstlerinnen ins Zentrum gerückt und persönliche Sichtweisen können entstehen und ausgetauscht werden.
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