Voyage – Voyeur
30. Mai – 8. August 2021
IG Halle im Kunst(Zeug)Haus Rapperswil
Voyage – Voyeur unternimmt mit sechs Kunstschaffenden eine Reise in die Sinnlichkeit. Die Ausstellung umfasst Zeichnung und Malerei, Fotografie, Video und Installation. Oft steht der weibliche Körper im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, wobei fünf der sechs Ausstellenden Frauen sind. Die Werke berühren Fragen der Identifikation und setzen sich mit Konditionierung und gesellschaftlichem Urteil auseinander. Der voyeuristische Blick wird in einigen Werken provoziert, in anderen abgelegt. Manche zeigen Haut, während andere ein Gefühl von Intimität in Abwesenheit der menschlichen Figur anklingen lassen. Die Vergänglichkeit des sinnlichen Lebens drängt feierlich und schmerzlich zugleich ins Bewusstsein; ebenso das Bild als physisches Objekt und Illusion: Wie weit kann ein Bild die sinnlichen Erfahrungen einfangen oder selbst zu einer solchen Erfahrung werden? Die Reise führt von der Körperoberfläche bis zur Bildoberfläche, streift dabei Träume und Illusionen und mündet in Fragen über unser Körperbewusstsein. Dieses Spannungsfeld lässt über die Frage reflektieren, was Sinnlichkeit bedeutet.
Kurator: Guido Baumgartner
Als Gegenpol zu einem überwiegend vom Verstand geprägten Leben versteht Sonja Lackner ihre persönliche Reise zu einem erweiterten Körperbewusstsein. Auf diesem Weg manifestieren sich Träume und Illusionen ebenso wie kulturell geprägte Vorstellungen, die die Emotionalität als ein unbekanntes, ja verbotenes Gebiet einstufen. Mit ihren Federinstallationen in flauschigem Rosa bedient sie sich eines geläufigen erotischen Vokabulars. Die in Kufstein aufgewachsene und seit 2012 in der Schweiz lebende Sonja Lackner geht für ihre vorliegenden Arbeiten vom eigenen Körper aus. Die Haut als Vermittlerin zwischen Aussen und Innen provoziert in der Vergrösserung eine zwiespältige Reaktion. Hingegen sprechen ihre Videos mit Titeln wie Abundance, Flow of Life oder Lightness von einer genussvollen Leichtigkeit.
Selbstbewusst und direkt ist der Blick der Frauen in Clio Newtons Bildern. Die Porträts sind fotorealistisch präzise Kohlezeichnungen, ohne fotografische Vorlage auf riesigen Formaten realisiert. Die jungen Frauen scheinen ihren Platz in der Gesellschaft zu suchen, ohne überlieferte Erwartungen erfüllen zu müssen. Die monumentale Darstellung kontrastiert mit der feinfühlig erfassten Persönlichkeit. Diese wirkt präsent und dennoch verborgen.
Als einziger Mann in der Ausstellung hat der Videokünstler MARCK nackte Menschen und insbesondere nackte Frauen schon immer zum Sujet seiner Arbeit gemacht. Oft stellt das Bildschirmformat einen Raum dar, der für die gefilmte Person zu eng ist: Eine Frau schwimmt in einem Pool, der kürzer ist als sie selbst; Eine Kiste, die sich dreht und dadurch die hinter der halbtransparenten Glasscheibe kauernde eingeschlossene Frau zwingt, der Bewegung zu folgen. Neben der offensichtlich voyeuristischen Komponente spiegeln die Werke gesellschaftliche Prozesse – und vielleicht auch den Wunsch des Künstlers selbst, auszubrechen.
Eine andere Art von Ausbruch wirkt in Janet Muellers Zeichnungen: Sie streifen den urteilenden Blick von aussen ab und begeben sich auf die Suche nach einer persönlichen Weiblichkeit. Unter dem Titel Körperlandschaften legt Janet Mueller minimalistische Spuren in die Intimität von Frauen. Ihre Zeichnungen in Tusche und Graphitstift umreissen Körperhaltungen und Gesten, deuten Emotionen an und verweisen auf die exponierte Position von Frauen in der Gesellschaft. Im fragil Poetischen liegt die Kraft Ihrer Arbeiten.
Von einer selbstverständlichen Sinnlichkeit ist die Malerei Annatina Grafs. Unscharf, fragmentarisch und stellenweise vom Licht aufgelöst erscheinen die alltäglichen Szenen auf ihren Bildern. Somit schafft die in Solothurn lebende Bündnerin auf der Bildoberfläche einen Eindruck davon, wie unsere Wahrnehmung funktioniert: Vielschichtig, selektiv und durch den Filter der Erinnerung. Auf Fotografien aus dem privaten Umfeld basierend, zeigen ihre Werke Momente aus dem Familienleben, Intimität, Geborgenheit. Die Kostbarkeit und Vergänglichkeit des sinnlichen Lebens kommt dabei in einer speziellen Farbpalette zum Ausdruck. Die Bilder der neuen Serie Nightlife sind in Hell-Dunkel gehalten, jedoch in ein warmes Ocker getaucht, das den Szenen eine emotionale Qualität verleiht.
Während manche Werke Haut zeigen, tragen andere ganz ohne die menschliche Figur zum Ausstellungsthema bei. Helena Wyss-Scheffler löst mit ihrer Malerei ein Gefühl von Intimität aus, indem sie Innenräume darstellt. Sie lässt Details wie Möbel, Fenster oder Kleidungsstücke gegenständlich hervortreten und nutzt auch architektonische Elemente, um ein Raumgefühl zu schaffen. Gleichzeitig löst sie diese Orientierung mit verschwimmenden Stellen wieder auf. Wie eine Haut bilden die durchscheinenden, spiegelnden oder von Mustern bedeckten Flächen eine Transparenz zwischen Aussen und Innen, Privat und Öffentlich, zwischen Gegenwart und Erinnerung. Eine besondere Funktion kommt dabei den Textilien zu: Stoff als Hülle, Schmuck oder Schutz bringt unser Körperbewusstsein zum Ausdruck sowie unser persönlich und kulturell geprägtes Verständnis von Sinnlichkeit.
Text: Judith Annaheim / IG Halle
Medienspiegel
Voyage – Voyeur
Ausstellung Voyage – Voyeur
Obersee Nachrichten, 27.05.2021
Voyage – Voyeur
Der Betrachter wird genüsslich zum Voyeur
Der Glarner Künstler MARCK in der IG Halle Rapperswil
Bluerider Art Taipeh-Shanghai, 04.06.2021
Bluerider Daily
Schweizer Fernsehen SRF, 14.08.2021
Swisslos: IG Halle Rapperswil (SG)
Öffentliche Führungen
Rundgang durch die Ausstellung mit Guido Baumgartner, Kurator der Ausstellung.
Mittwoch, 7. Juli, 18.30 Uhr
Mittwoch, 4. August, 18.30 Uhr
Finissage – Gespräch mit den Kunstschaffenden
Führung durch die Ausstellung mit den Kunstschaffenden Annatina Graf, MARCK, Sonja Lackner, Helena Wyss-Scheffler und Guido Baumgartner, Kurator der Ausstellung.
Sonntag, 8. August, 11.30 Uhr
Kunstpädagogik artefix kultur und schule
Die Ausstellung wird kunstpädagogisch von artefix kultur und schule begleitet.
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